Wirtschafts- und Arbeitsleben in Mainz im 19. und 20. Jahrhundert
Mainz war lange Zeit eine Handels-, Handwerker-, Verwaltungs- und Garnisonsstadt. Unsere Dauerausstellung „Wirtschafts- und Arbeitsleben in Mainz im 19. und 20. Jahrhundert“ thematisiert den Wandel der Stadt seit dem Beginn der Industrialisierung. Diese setzte hier verspätet ein, da Mainz eine Bundes-, dann Reichsfestung war und außerhalb des Festungsgürtels nicht gebaut werden durfte. So fehlten Flächen für die Ansiedlung von größeren Industriebetrieben. Im 19. Jahrhundert siedelten sich zunächst kleinere Fabriken im Bleichenviertel und nach der ersten Stadterweiterung von 1872 im Gartenfeld, der späteren Neustadt an. In den 1880er Jahren wurde die ehemalige Insel Ingelheimer Aue an das Festland angebunden und diente ab der Jahrhundertwende als Industriegebiet. Mehrere bedeutende Unternehmen, wie die Waggonfabrik Gebrüder Gastell und die Portlandzementfabrik, ließen sich außerhalb der Stadtmauern in den linksrheinischen Vororten Mombach und Weisenau nieder. Andere Großbetriebe, wie der Zementhersteller Dyckerhoff und die Chemischen Werke Albert, die Schiffswerft Ruthof, die Cellulosefabrik und die MAN, hatten ihre Werke rechts des Rheins in Amöneburg, Kastel, Kostheim und Gustavsburg, den später eingemeindeten Mainzer Stadtteilen, errichtet. Auch Handelsunternehmen, insbesondere Weinhändler, sowie Reedereien und Speditionsunternehmen, spielten in der rheinhessischen Provinzhauptstadt am Rhein eine wichtige Rolle.
0.1.Mainzer Firmengeschichten
In der Ausstellung sind Erzeugnisse aus einigen der bedeutendsten Zweige der Mainzer Wirtschaft zu sehen. Dazu zählten im 19. und frühen 20. Jahrhundert die Möbelindustrie, insbesondere die Firma Anton Bembé, die Rheinische Musikinstrumentenfabrik Gebrüder Alexander, die metallverarbeitende Industrie mit Unternehmen wie der Waggonfabrik Gebr. Gastell, Pumpen-Hilge, der Gasmesserfabrik Elster, der Gusseisenfabrik Julius Römheld und der Metallwarenfabrik Wilhelm Hanss, aber auch die Lederwerke Mayer, Michel & Deninger, die Schellackbleichen und Lackfabriken, die vielen Wein- und Sektkellereien sowie die zahlreichen Bierbrauereien. Hinzu kamen Betriebe wie Werner & Mertz (Erdal) sowie etwas später Blendax und Hakle. Viele dieser Unternehmen existieren heute nicht mehr. Nach 1945 siedelten sich als wichtige Arbeitgeber die Jenaer Glaswerke, heute SCHOTT AG, und das IBM-Werk an.
0.2.Alltägliches Leben
Doch nicht nur Produkte, sondern auch der Alltag der Menschen, die in diesen Fabriken bei langen Arbeitszeiten, ungesunden Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen ihren Lebensunterhalt verdienten, sind Thema der Ausstellung. Frauen mussten oft zusätzlich Heimarbeit leisten. Vor allem die beengten Wohnverhältnisse in der Mainzer Altstadt bei gleichzeitig hohen Mieten und hohen Lebensmittelpreisen machten der Bevölkerung in der Festungsstadt zu schaffen. Sanitäre Einrichtungen fehlten. Kinder und Erwachsene litten häufig an Tuberkulose und Mangelkrankheiten. Die Küche mit dem Kohleherd, der Zinkbadewanne, der Nähmaschine und dem Schulranzen symbolisieren das Leben der Arbeiterfamilien, das sich hauptsächlich in der Küche abspielte.
0.3.Neuere Entwicklungen
Gaben noch in der Nachkriegszeit die Industriebetriebe der Stadt vielen Menschen Arbeit, so entwickelte sich Mainz in den letzten Jahrzehnten immer mehr zur Wissenschafts- und Medienstadt. Darüber hinaus spielte und spielt der Dienstleistungsbereich mit dem Gesundheitswesen, der städtischen Daseinsvorsorge sowie mit Handels- und Logistikunternehmen eine wichtige Rolle. Zu den größten Arbeitgebern zählen heute die Universitätsmedizin, die Johannes Gutenberg-Universität, die Stadtverwaltung sowie die Mainzer Stadtwerke AG, ebenso wie das ZDF, ergänzt um 3Sat, den SWR und weitere Radiosender. Neu hinzu kam in jüngster Zeit das Biotechnologieunternehmen BioNTech an der Schnittstelle zwischen Forschung und Pharmaindustrie.