Magenza - 1000 Jahre jüdisches Mainz
Die in fünf Zeitabschnitte gegliederte Ausstellung zeigt die bedeutende und wechselvolle Geschichte der Mainzer Juden seit dem Mittelalter: Zeiten hoher geistiger und kultureller Blüte einer traditionsreichen Gemeinde wechselten sich ab mit Phasen der Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung bis hin zum Holocaust. Die nach 1945 wiedergegründete Gemeinde konnte 2010 stolz ihre neue Synagoge einweihen.
I. Magenza – das jüdische Mainz im Mittelalter
Gegen Ende des 10. Jahrhunderts verdichteten sich die Nachrichten über eine jüdische Gemeinde in Mainz. Seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts entwickelte sich Magenza, so der hebräische Name für die Stadt, zu dem bedeutendsten geistigen Zentrum des aschkenasischen Judentums. Lange bevor es christliche Universitäten gab, besaß Mainz eine Jeschiwa, eine Hochschule, die viele Juden besuchten und in der das Studium von Bibel und Talmud ein bis dahin in Europa unerreichtes Niveau erlangte. 1096 fand diese blühende Gemeinde mit den Pogromen der Kreuzfahrer ihr vorläufiges Ende. Doch schon bald kehrten Juden nach Mainz zurück. 1220 fand hier eine berühmte Rabbinerversammlung statt, in der die Takkanot SCHUM beschlossen wurden, Verordnungen für die Hauptgemeinden Speyer(SCH), Worms (U) und Mainz (M), die einen Bund bildeten. Nach 1281 erlebten die Mainzer Juden wiederholt Verfolgungen (Ritualmordvorwürfe) und Vertreibungen. Vor allem die Zünfte sahen in ihnen unliebsame Konkurrenten. 1470 wies Erzbischof Adolf II. von Nassau die Juden endgültig aus der Stadt und dem Erzstift Mainz aus.
II. Magenza – das jüdische Mainz in der frühen Neuzeit (1500-1792)
Die Neugründung der jüdischen Gemeinde in Mainz erfolgte ab 1582 unter Kurfürst Wolfgang von Dalberg. Die 1662 und 1671 publizierten Judenordnungen des Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn begrenzten die Schutzstellen zunächst auf 20, dann auf 10 Judenfamilien und wiesen den Juden einen abgegrenzten Wohnbezirk, das Judenviertel, zu. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden der Gemeinde 101 Schutzstellen und die Ausweitung ihres Wohnbezirkes zugebilligt. Innerhalb ihres Viertels besaß die Gemeinde eine weitgehende Autonomie. Kurmainz war der erste deutsche Territorialstaat, der die Emanzipation der Juden einleitete. Die vollständige Gleichstellung der Mainzer Juden erfolgte aber erst mit der Eroberung von Mainz durch die französische Revolutionsarmee.
III. Emanzipation und Gleichstellung (1792-1933)
Unter der französischen Herrschaft erhielten die Mainzer Juden mit dem „Code Civil“ die Gleichberechtigung mit den übrigen Bürgern. Der Wohnzwang im Judenviertel wurde aufgehoben, und die Einführung der Gewerbefreiheit beseitigte die jahrhundertealten beruflichen Beschränkungen. Nach Streitigkeiten kam es 1853 zu einer Aufspaltung der Mainzer Gemeinde in einen liberalen und einen orthodoxen Teil. Beide bildeten jedoch weiterhin eine einzige Körperschaft. In den folgenden Jahrzehnten erlebten die Mainzer Juden eine besondere Blütezeit, speziell auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet. Ein sichtbares Zeichen dafür war der Bau der 1912 eingeweihten prächtigen Hauptsynagoge in der Hindenburgstraße.
IV. Verfolgung und Vernichtung (1933-1945)
Mit der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler begann die systematische Entrechtung und Verfolgung der deutschen Juden. Nach ersten Boykotten und Entlassungen wurden den Juden mit fast 2.000 Gesetzen und Verordnungen auf scheinbar legalem Weg nach und nach ihre Rechte genommen. Sie wurden aus Vereinen, Vorständen, Schulen, Universitäten und ihren Berufen verdrängt, ihres Vermögens beraubt und in die Emigration getrieben. Am 9./10. November 1938 wurden auch die Mainzer Synagogen in Brand gesteckt oder verwüstet, zahlreiche Wohnungen jüdischer Familien zerstört und geplündert. Nach Kriegsbeginn wurden die Juden in “Judenhäusern” zusammengepfercht. Aus Mainz wurden im März und September 1942 mit drei großen Transporten etwa 1.100 Menschen in die Vernichtungslager im besetzten Polen und in das Ghetto Theresienstadt verschleppt. Die meisten von ihnen wurden ermordet oder starben an Hunger und Seuchen.
V. Neubeginn und Aussöhnung – die Jahre 1945 bis 2000
Von den ehemals 2.600 Mainzer Juden lebten bei der Befreiung durch die Amerikaner am 22. März 1945 nur noch 61 in der Stadt. Nur wenige hatten in Konzentrationslagern überlebt oder kehrten aus der Emigration zurück. Im Oktober 1945 wurde die jüdische Gemeinde Mainz neu gegründet. In den folgenden Jahren entwickelte sich ganz langsam wieder ein Gemeindeleben. 1952 wurde das teilzerstörte Gebäude in der Forsterstraße 2 aufgebaut. Es diente den rund 120 Mainzer Juden von nun an als Zentrum. Eine unvorhergesehene Entwicklung setzte zu Beginn der neunziger Jahre ein. Seitdem durfte alljährlich ein bestimmtes Kontingent von Juden aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland einreisen. Ein Teil der Übersiedler kam nach Mainz, so dass die jüdische Gemeinde heute wieder mehr als 1.000 Mitglieder zählt. Da die Räume in der Forsterstraße 2 nicht mehr ausreichten, wurde auf dem Gelände der 1938 zerstörten Hauptsynagoge in der Hindenburgstraße nach Plänen des Architekten Manuel Herz ein neues jüdisches Gemeindezentrum errichtet, das 2010 feierlich eingeweiht wurde.